Ratgeber des Landesarchivs NRW

Sie möchten Ihre Familie erforschen, weil
Sie Geschichte faszinierend finden, weil Sie
eine Kiste mit alten Familienfotos auf dem
Speicher gefunden haben und nun neugierig
geworden sind oder weil Sie von einem älteren
Verwandten Abschied nehmen mussten,
der die Familie über Jahrzehnte geprägt hat,
von dessen Leben und Persönlichkeit aber
doch so überraschend wenig bekannt ist?
Sie beginnen Ihre »Forschung« mit Gesprächen
mit Geschwistern, Eltern oder
Großeltern, sammeln Dokumente, die die
Familie aufbewahrt, und lassen sich Geschichten
zu überlieferten Erbstücken erzählen.
So lebendig aber mündliche Berichte
und so wertvoll private Unterlagen sind, die
Reichweite persönlicher Überlieferung in
die Vergangenheit ist meist jedoch begrenzt.
Außerdem variieren die persönlichen Erinnerungen
stark.
Sie können auch im Internet nach Informationen
zu Ihren Vorfahren zu suchen. Das
Internet verspricht, mit seinem Zugang zu
einer unendlichen Zahl von Personendaten

Aufschluss über die Familiengeschichte zu geben. Aber diese Informationen müssen gründlich geprüft werden, zumal sie nicht vollständig sind: Die meisten von Archiven aufbewahrten Daten befinden sich nicht im World Wide Web.
Also: Kommen Sie ins Archiv! Denn dort finden Sie Informationen, die es sonst nirgends gibt. Insbesondere staatliche und kommunale Archive sichern – im gesetzlichen Auftrag – Dokumente über weit zurückreichende Zeiträume. Solche Archivalien geben zwar meist die Sicht der staatlichen und kommunalen Behörden wieder, aber sie enthalten auch Daten zu Ihrer Familie, z. B. in einer Heiratsurkunde.
Diese Broschüre soll Ihnen bei Ihrer Familienforschung in den nordrhein-westfälischen Personenstandsarchiven helfen. Denn vielfach bestehen Schwellenängste, in ein Archiv zu gehen, oder die Suche nach den Vorfahren gestaltet sich weitaus schwieriger als zunächst vermutet.
Welches Archiv für Sie relevant ist, können Sie im Archivportal »Archive in NRW« (www. archive.nrw.de) herausfinden. Darin ist die reiche Archivlandschaft Nordrhein-Westfalens mit Archiven der unterschiedlichen Sparten repräsentiert. Das vom Landesarchiv Nordrhein-Westfalen herausgegebene und betreute Archivportal bietet eine komfortable archivübergreifende Recherche an.
Das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen bewahrt die staatliche Überlieferung unseres Bundeslandes und seiner Vorgängerterritorien. In seinen dezentralen Abteilungen Rheinland und Ostwestfalen-Lippe unterhält es das Personenstandsarchiv Rheinland (Duisburg) und das Personenstandsarchiv Westfalen-Lippe (Detmold). Diese Spezialarchive betreuen für ihren jeweiligen Landesteil insbesondere die Zweitschriften der Personenstandsüberlieferung.
Die in den Personenstandsarchiven aufbewahrten Kirchenbücher, Kirchenbuchduplikate, Zivilstands-, Dissidenten- und Judenregister sowie standesamtlichen Personenstandsregister enthalten Daten zu Taufe/Geburt, Eheschließung und Tod/Begräbnis. Diese Eckdaten bilden das unverzichtbare Gerüst familiengeschichtlicher Forschung. Wo sonst werden so viele Personenstandsdaten so großer Regionen (Rheinland und Westfalen-Lippe) zentral für die Forschung bereit gestellt wie in Detmold und Duisburg?
Die vorliegende Broschüre soll Ihnen erste Anregungen für den Start in das »Abenteuer Familienforschung« liefern und den Weg zu den Quellen in den nordrhein-westfälischen Personenstandsarchiven bahnen. Vielleicht werden Sie ja auch neugierig auf weitere archivische Dokumente und neue historische Fragen.

Sie möchten etwas über die Geschichte Ihrer Familie erfahren und wissen nicht, wie und wo Sie anfangen sollen. Hier finden Sie ein paar Tipps für die ersten Schritte ins Archiv und bei der Recherche nach Ihren Vorfahren:
1. Die Forschung beginnt zu Hause: Stellen Sie alle Unterlagen zusammen, die Sie von Ihrer Familie haben (Familienbücher, Fotoalben, Briefe, Pässe usw.). Auch die eigene Geburtsurkunde gibt Hinweise auf Ihre Vorfahren. Fragen Sie Verwandte, ob Sie Ihnen für Ihre Forschung Unterlagen oder Informationen zur Verfügung stellen.
2. »Erst denken, dann ins Archiv«: Klären Sie, was Sie über Ihre Familie wissen möchten und welche Informationen Ihnen dazu fehlen. Präzisieren Sie Ihre Fragen, indem Sie Nachschlagewerke, Ortslexika und -chroniken oder historische Handbücher zu Rate ziehen Y siehe Literaturtipps. Recherchieren Sie im Internet, um erste Anhaltspunkte zu erhalten. Aber prüfen Sie Daten und Namen in den Originalquellen im Archiv nach! Y siehe Genealogie vernetzt.
3. Ab ins Archiv! Welches Archiv?
Benötigen Sie Angaben aus einem Kirchenbuch, wenden Sie sich an das zuständige Kirchen-, Gemeinde- oder Pfarrarchiv. Kirchenbücher, Kirchenbuchduplikate und Zivilstandsregister finden Sie auch in den Personenstandsarchiven des Landesarchivs NRW Y siehe Seite 12 – 17.
Kommunale Dokumente, wie z. B. Einwohnermeldeunterlagen, werden im zuständigen kommunalen Archiv aufbewahrt. Grundbücher, Adoptionsvorgänge und andere Unterlagen aus Gerichten und staatlichen Behörden finden Sie im zuständigen Staatsarchiv, so auch in den Abteilungen des Landesarchivs NRW.

Erkundigen Sie sich über das für Sie relevante Archiv, zum Beispiel unter
www.archive.nrw.de.
4. Sie haben das richtige Archiv gefunden:
Jetzt hilft die Y Beständeübersicht weiter. Die Beständeübersicht listet auf, was Sie in einem Archiv finden. Sie ist das wichtigste »Werkzeug« für die Arbeit im Archiv. Sie erhalten die Beständeübersicht eines Archivs im Lesesaal oder können sie im Internet durchsuchen. Achtung: Sie finden darin keine personenbezogenen Daten!
5. Finden Sie Archivalien im Findbuch:
Wenn Sie den für Sie richtigen Bestand ausgewählt haben, erkundigen Sie sich nach dem Findbuch. Jeder Bestand und somit jedes Findbuch ist mit einer Signatur gekennzeichnet. Im Findbuch werden die Archivalien, meist Akten oder Register, eines Bestandes aufgezählt und mit Y Laufzeit und Y Signatur näher bezeichnet. Einige Findbücher des Landesarchivs stehen online bereit, alle anderen erhalten Sie im Lesesaal. Falls Sie dennoch nicht weiterkommen, können Sie sich gerne von den Kolleginnen und Kollegen dort beraten lassen.
6. Gefundenes bestellen:
Wenn Sie die für Ihre Forschung relevanten Akten, Kirchenbücher oder Dokumente aus Genealogischen Sammlungen im Findbuch gefunden haben, dann können Sie diese mit einem Formular für die Lektüre im Lesesaal bei der Lesesaalaufsicht bestellen.
7. Die Abkürzung:
Kirchenbücher und Kirchenbuchduplikate, teilweise auch jüngere Personenstandsunterlagen, sind in den nordrhein-westfälischen Personenstandsarchiven digitalisiert am Lesesaalrechner verfügbar; gelegentlich liegen sie noch in Form von Mikrofiches vor. In Detmold können Sie auch zunächst die nach Orten und Namen geordnete Kirchenbuchkartei für Lippe nutzen (Achtung: Überprüfen Sie die darin enthaltenen Angaben im Zweifel mit dem Original!).
8. Die Forschung kann beginnen:
Sie werden feststellen, dass die Recherche in einem Archiv mühseliger und zeitaufwändiger, aber dafür umso spannender ist als in einer Bibliothek. Oftmals ist die Schrift in den »alten Dokumenten« schwer zu lesen, manchmal sind die entzifferten Informationen schwierig einzuordnen, so dass Sie wie- der Nachschlagewerke, andere Bestände oder weitere Beratung bzw. Austausch mit anderen Forschenden benötigen. Lassen Sie sich nicht entmutigen! Auch Profis kommen immer wieder an »tote Punkte«, und: Sie werden durch das Auffinden von »Schätzen« immer wieder entschädigt.

 

 

Die beiden nordrhein-westfälischen Personenstandsarchive
sind Zentren für die
Familienforschung, die Genealogie und
jede personenbezogene Recherche, sei es
für Biografien, die Sozial-, Wirtschafts- oder
Demografiegeschichte. Denn sie bewahren
Unterlagen auf, die den Personenstand von
Menschen dokumentieren, die im Gebiet des
heutigen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen
geboren wurden, heirateten oder starben.
»Geboren«, »verheiratet«, »ledig«, »geschieden
« und »gestorben« beschreiben den
Personenstand einer Person. Dieser wurde
in der Vergangenheit in Y Kirchenbüchern,
Y Kirchenbuchduplikaten, Y Zivilstands-,
Dissidenten- und Judenregistern und wird
heute in den standesamtlichen Personenstandsregistern
beurkundet. Dies sind demnach
Personenstandsunterlagen.
In den nordrhein-westfälischen Personenstandsarchiven
werden solche Unterlagen,
Bücher und Register zentral aufbewahrt
und für die Forschung bereit gestellt. In den
meisten Beständen dieser Spezialarchive
befinden sich die Zweitschriften der Personenstandsbücher,
also die Kirchenbuchduplikate,
die Zweitschriften der Zivilstands-,
Dissidenten- und Judenregister sowie die
Nebenregister bzw. Zweitbücher der standesamtlichen
Personenstandsregister. (Unterdessen
werden die Erstschriften bei den
Kirchen(-archiven), Kommunen bzw. kommunalen
Archiven und den Standesämtern
geführt.) Näheres zu den Beständen finden
Sie in den nächsten Kapiteln dieses Heftes.
Die beiden nordrhein-westfälischen Personenstandsarchive,
deren Geschichte bis
in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts
zurückreicht und die vom neu gegründeten
Land NRW als Spezialarchive etabliert
wurden, sind inzwischen Dezernate im
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen: Das
Personenstandsarchiv Rheinland gehört zur
Abteilung Rheinland in Duisburg. Das Personenstandsarchiv
Westfalen-Lippe ist Teil der
Abteilung Ostwestfalen-Lippe in Detmold.
Die Aufgaben und Bestände dieser beiden
Spezialarchive haben sich aufgrund
der Novellierung des Personenstandsgesetzes
seit dem 1. Januar 2009 verändert: Bislang
bewahrten beide Archive die standesamtlichen
Nebenregister aus der Zeit von
1874/76 bis zum 30. Juni 1938 auf. Seit dem
Jahr 2009 übernehmen die Personenstandsarchive
zusätzlich Jahr für Jahr die Sterbezweitbücher,
die älter als 30 Jahre sind. Ab
2019 werden weitere Jahrgänge der Heiratszweitbücher
hinzukommen, welche einer
Fortführungsfrist von 80 Jahren unterliegen.
Sofern die Fortführungsfristen abgelaufen
sind, werden die Unterlagen nun nach den
Bestimmungen des Archivgesetzes für die
Nutzung zur Verfügung gestellt.
Mit dieser Gesetzesnovelle erlangten die
Personenstandsarchive eine erhöhte Aufmerksamkeit,
nicht zuletzt weil nun der privaten
und wissenschaftlichen Forschung
völlig neue Möglichkeiten eröffnet sind. Außerdem
veranlasst die Reform des Personenstandsgesetzes
auch andere Bundesländer,
Personenstandsarchive nach nordrheinwestfälischem
Vorbild zu errichten.

 

Das Personenstandsarchiv Rheinland verwahrt und betreut den staatlichen Anteil der Personenstandsüberlieferung für den rheinischen Landesteil des Landes Nordrhein-Westfalen (Regierungsbezirke Düsseldorf und Köln). Im Einzelnen handelt es sich dabei um Kirchenbücher, Kirchenbuchduplikate, Zivilstandsregister mit zugehörigen Aufgebotsregistern und Belegakten sowie standesamtliche Personenstandsregister.
Nach der Überführung der Kirchenbücher von Schloss Gracht in Liblar (heute Stadt Erftstadt) und der übrigen Bestände von der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz in den Nordflügel des Schlosses Augustusburg und dessen Nebengebäude 1954/1955 war das Personenstandsarchiv an verschiedenen Standorten in Brühl untergebracht, zuletzt verteilt auf drei Gebäude an den zwei Standorten Comesstraße und Schlossstraße (Nordorangerie und Nebengebäude von Schloss Augustusburg).
Seit 2008 ist das Personenstandsarchiv Rheinland als Dezernat R 4 Bestandteil der Abteilung Rheinland des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen. Nach der Zusammenfassung der verschiedenen Standorte der Abteilung Rheinland in Brühl und Düsseldorf im Duisburger Neubau des Landesarchivs hat das Personenstandsarchiv Rheinland seinen Sitz am Innenhafen, in Nachbarschaft der Schwanentorbrücke.

 

 

Weitere Bestände, die für Ihre Familienforschung noch interessant sein könnten:
Die Überlieferung der Verwaltungsbehörden und Gerichte aus dem räumlichen Zuständigkeitsbereich des Personenstandsarchivs Rheinland wird gleichfalls in Duisburg verwahrt, in Zuständigkeit der weiteren Fachdezernate der Abteilung Rheinland. Wenn Sie durch die Auswertung von Personenstandsunterlagen über viel versprechende Anhaltspunkte verfügen, Sie beispielsweise die berufliche Stellung eines Vorfahren oder den Besitz eines Hofes ermittelt haben, können Ihnen diese Quellen wertvolle Ergänzungen für die Erforschung Ihrer Familie liefern.
Bestand
Laufzeit
Bereitstellungsform
Kirchenbücher
4.315 Kirchenbücher und ältere Kirchenbuchduplikate
1571 – 1798/1809
Digitalisate Y Edition Brühl; Mikrofiches (Einzelbände)
Jüngere Kirchenbuchduplikate
1.127 Kirchenbuchduplikate
1806/1813 – 1874
Mikrofiches
Zivilstandsregister
106.473 Zweitschriften der Zivilstandsregister, ca. 80.000 Aufgebotsregister und ca. 20.000 Belegakten
1796/1798 – 1875
(linksrheinisch)
1810 – 1875 (rechtsrheinisch)
Digitalisate und Originale; Mikrofiches (Dezennaltabellen)
Standesamtliche
Personenstandsregister
123.448 Nebenregister
bzw. Zweitbücher
1874/1876 – 1938/1984
Digitalisate und Originale; Erteilung von Auskünften
Hierfür kommt ein breites Spektrum von Beständen in Betracht. Es reicht von der Überlieferung frühneuzeitlicher Territorien mit ihren bäuerliche Besitzverhältnisse nachzeichnenden Erbungsbüchern oder Schatzungslisten bis zu Archivalien aus jüngerer Zeit. Letztere fassen in der Regel als Provenienzbestände das archivwürdige Schriftgut einer einzelnen staatlichen Stelle zusammen, sind teilweise aber auch als übergreifende Sammelbestände angelegt worden. Darin können beispielsweise Personal- oder Entnazifizierungsakten zu Mitgliedern Ihrer Familie zu finden sein.

 

 

Weitere Bestände, die für Ihre Familienforschung noch interessant sein könnten: Genealogische Sammlungen: Nachlässe von Genealogen, die zahlreiche Personendaten zusammenstellten, meist aus dem 20. Jahrhundert (z. B. Bestand D 77 Brenker, D 77 Schering) Justizüberlieferung: Vormundschaften, Testamente, Nachlässe, Erbsachen, Adoptionen, Todeserklärungen (z. B. die Bestände L 90 für Lippe im 18. und 19. Jahr- hundert, M 9 Land- und Stadtgerichte im Regierungsbezirk Minden 1815 – 1879, M 8 Oberlandes- bzw. Appellationsgericht Paderborn 1815 – 1879 und D 23 Amtsgerichte im Regierungsbezirk Detmold seit 1879) Personalakten des staatlichen öffentlichen Dienstes für das Gebiet des heutigen Regierungsbezirks Detmold (siehe die Bestände L 80 I Pers, M 1 PrPers und D 99) Akten zur Aus- und Einwanderung (z. B. die Bestände L 77 A und D 1) Amtsprotokolle und städtische Gerichtsprotokolle, Ehe- und Vormundschaftsprotokolle für Lippe für das 16. bis 19. Jahrhundert (Bestand L 108 A) Salbücher, Katasterbücher geben AusBestandsinhalt

* Die Sterbezweitbücher liegen im Jahre 2015 bis zum Jahr 1984 vor. In jedem Jahr erfolgt die Ablieferung eines weiteren Registerjahrgangs an das Personenstandsarchiv.kunft über Dorf-, Hof- und Familiengeschichte für Lippe für das 16. bis 19. Jahrhundert (Bestand L 101 C I)
Diese kleine Auswahl soll dazu anregen, im Archiv »links und rechts zu blicken« und weitere Quellen hinzuzuziehen. Welche Archivalien für Sie noch relevant sein könnten, können Sie herausfinden, wenn Sie sich fragen, in welchen Behörden Ihre Vorfahren »aktenkundig« geworden sein könnten, wenn Sie die Beständeübersicht des Archivs studieren und wenn Sie sich beraten lassen.

 

Kleine Quellenkunde

Eine kleine Quellenkunde
Kirchenbuchduplikate, Zivilstands-, Judenund
Dissidentenregister, standesamtliche
Erst- und Zweitbücher sowie – wenn auch
nicht von ihrer Anlage her – Kirchenbücher
dienen der rechtsgültigen Dokumentation
des Personenstandes einer Person. In ihnen
werden Veränderungen des Personenstandes,
also Geburt, Heirat oder Tod einer Person,
aufgezeichnet. Über 1926 im Freistaat
Preußen eingeführte Verknüpfungen (Hinweise)
können sie auch Angaben zu Kindern
einer Person oder eines Ehepaares enthalten.
Kirchenbücher
Seit dem Mittelalter überwachte und dokumentierte
die Kirche den Personenstand betreffende
Veränderungen in den Beziehungen
ihrer Mitglieder, zunächst die Trauungen
und Taufen. Im 16. Jahrhundert stellten die
katholische Kirche im Tridentinum (1563)
und die evangelische Kirche in den landesherrlichen
Kirchenordnungen Regeln für die
Kirchenbuchführung auf. In dieser Zeit setzen
frühe Kirchenbuchüberlieferungen ein,
so auch im Personenstandsarchiv Rheinland
(1571) und im Detmolder Archiv (1611).
Die Verwahrung der Kirchenbücher in diesen
staatlichen Archiven geht im Rheinland auf
die französischen bzw. bergischen Verordnungen
im Zuge der Einführung des Zivilstands
um 1800 zurück. Die Kirchenbücher
im Detmolder Archiv sind ein Depositum des
Lippischen Landeskirchlichen Archivs.
Selbstverständlich führen die Kirchen
heute noch Kirchenbücher, die aber nicht
mehr den rechtsverbindlichen Charakter
haben wie die staatlichen Personenstandsregister.
Die Kirchenbücher enthalten Angaben
zu Taufe, Heirat und Bestattung der Gemeindemitglieder.
Diese Einträge sind meist
mit zahlreichen zusätzlichen Informationen
angereichert, etwa zu Taufpaten, Trauzeugen
oder Todesursachen, gelegentlich auch
zur Auswanderung von Familienangehörigen
oder gar zu Ereignissen.

 

Kirchenbuchduplikate und
Zivilstandsregister
In der Neuzeit, besonders im 18. Jahrhundert,
begannen die Staaten, das Personenstandswesen
stärker zu kontrollieren, erließen
Kirchenbuchordnungen und schrieben
vor, eine Sicherungsabschrift zu erstellen.
Seitdem gibt es für jedes Personenstandsbuch
immer eine Kopie, die meist in einem
anderen Archiv aufbewahrt wird als die
Erstschrift. Dieses staatliche Engagement
gestaltete sich regional und territorial recht
unterschiedlich.
• Der kurkölnische Erzbischof Maximilian
Friedrich ordnete bereits im Jahr 1779 für
seine Gebiete in Westfalen (Herzogtum
Westfalen, Vest Recklinghausen) an, Kirchenbuchduplikate
zu erstellen, und zwar
getrennt nach Taufen, Ehen und Begräbnissen.
Etwa 15 Jahre später schrieb das
Allgemeine Preußische Landrecht von 1794
insbesondere den Geistlichen vor, Kirchenbuchduplikate
anzufertigen und diese nach
Ablauf eines Jahres an das zuständige Gericht
abzuliefern. In Lippe fertigte man bereits
seit dem 17. Jahrhundert Kirchenbuchduplikate
an; diese waren an das kirchliche
Konsistorium abzuliefern und sind kirchliches
Schriftgut. Der entsprechende Bestand
(P 1 A) im Detmolder Personenstandsarchiv
ist daher ein Depositum des Lippischen Landeskirchlichen
Archivs.
• Die Führung von Zivilstandsregistern (Erstund
Zweitbücher) geht auf die französische
Gesetzgebung seit 1792 zurück. Diese wurde
im linksrheinischen Bereich 1798 in Kraft gesetzt.
Die 1804 in den Code Civil aufgenommenen
Bestimmungen entfalteten rechts
des Rheins bis in den westfälischen Bereich
hinein ab 1808 (Königreich Westphalen),
ab 1810 (Großherzogtum Berg) bzw. ab 1811
(rechtsrheinische Départements) ihre Wirkung.
Das Erstbuch sollte in der Gemeinde
verbleiben, während das Zweitbuch der unteren
Gerichtsbarkeit zuzuführen war. Heute
befinden sich Erstbücher in der Regel bei
den Kommunen, das heißt in den kommunalen
Archiven oder noch bei den Standesämtern,
und die Zweitbücher gelangten von
den Gerichten an die staatlichen Archive.
Vielfach werden Zivilstandsregister auch in
Kirchenarchiven aufbewahrt. Die zentralen
und größten Bestände von Zivilstandsregistern
aus dem heutigen Nordrhein-Westfalen
befinden sich in den Personenstandsarchiven
Rheinland und Westfalen-Lippe.
• Nach Ende der französischen Herrschaft im
Jahr 1815 griff in Westfalen und am rechten
Niederrhein wieder das Allgemeine Landrecht
für die Preußischen Staaten, während
in weiten Teilen der Rheinlande weiterhin
die französischen Verwaltungsvorschriften
zum Personenstandswesen galten. Im Personenstandsarchiv
Westfalen-Lippe finden
Sie lediglich für die Jahre von 1808 – 1814
Zivilstandsregister, ansonsten sind bis 1874
die Kirchenbuchduplikate relevant. Im Personenstandsarchiv
Rheinland werden dagegen
überwiegend Zivilstandsregister aufbewahrt.

 

 

Juden- und Dissidentenregister
Das Interesse des Staates am Personenstand
erstreckte sich im 19. Jahrhundert
zunehmend auch auf nicht-christliche bzw.
nicht den Amtskirchen angehörende Personen,
insbesondere Juden, Dissidenten und
Quäkern. Die Einführung von Judenregistern
variierte von Territorium zu Territorium:
Im französischen Königreich Westphalen
wurden für Juden gesonderte Zivilstandsregister
geführt, im Großherzogtum Berg nicht.
Im Bereich des zum Großherzogtum Hessen
gehörenden ehemaligen kurkölnischen Herzogtums
Westfalen galt die Verordnung von
1804, wonach die Pfarrer gesonderte Judenregister
zu führen hatten. In Lippe wurde
dies 1809 angeordnet. Auch in der preußischen
Zeit ab 1815 war die Führung von Judenregistern
unterschiedlich, bis 1822 und
1847 Regelungen zur einheitlichen Führung
von Judenregistern getroffen wurden. Demnach
mussten die Register der Juden an die
Gerichte abgegeben werden. Ähnliches galt
ab 1847 für Quäker und Dissidenten (»geduldete
Religionsgemeinschaften«). Mit der
Einführung des Standesamtswesens und
der Personenstandsgesetze im Jahr 1874/75
endete die nach Konfessionen getrennte Registerführung.
Im Personenstandsarchiv Westfalen-Lippe
steht der Forschung wie an kaum einem
anderen Ort eine hohe Zahl von Judenregistern
aus einer großen Region zentral zur
Verfügung. Dagegen wurden für die rheinischen
Gebiete keine gesonderten Register
für Jüdinnen und Juden geführt. Namenbücher
der napoleonischen Zeit, in denen
die Annahme fester Familiennamen durch
jüdische Bürger beurkundet wurde, sind im
Personenstandsarchiv Rheinland den Kirchenbuchbeständen
zugeordnet.
Namenindizes
Die meisten dieser Register enthalten Namenindizes.
Beleg- und Übermittelungsakten
In den Personenstandsarchiven werden
darüber hinaus Beleg- und Übermittelungsakten
zu den Kirchenbuchduplikaten, Zivilstands-
und Judenregistern aufbewahrt, die
zusätzliche Dokumente etwa zu Eheschließungen
enthalten.
Reproduktionen des Reichssippenamtes
Die »Reichsstelle für Sippenforschung« bemächtigte
sich seit 1938 der personenbezogenen
Unterlagen der jüdischen Gemeinden,
zentralisierte und verfilmte sie. Die
Originale, aber auch zahlreiche Filme sind
vernichtet worden oder verloren gegangen.
In Detmold lagern die Filme (»Gatermann-
Filme«) und deren Rückvergrößerungen,
insbesondere von jüdischen Geburts-, Heirats-
und Sterberegistern, Friedhofslisten
oder Mitgliederlisten jüdischer Gemeinden.
Dieser Bestand ist aufgrund seiner langen
Laufzeit (1697 – 1942) und weil er Daten aus
ganz Westfalen-Lippe umfasst, besonders
wertvoll.

Personenstandsregister
Mit den Personenstandgesetzen in Preußen
von 1874 (gültig ab Oktober 1874) und
im gesamten Reich von 1875 (gültig ab Januar
1876) wurde das Standesamtswesen
eingeführt und die Personenstandsdokumentation
einheitlich in staatlicher Regie
geführt, und zwar konfessionsunabhängig.
In preußischen Gebieten (ausgenommen
den Geltungsbereich des französischen bzw.
rheinischen Rechts) gibt es Personenstandsregister,
getrennt nach Geburten, Heiraten
und Sterbefällen, seit 1874 und im gesamten
Reich (z. B. dann auch in Lippe) seit 1876.
Die Register werden doppelt geführt, d. h.
Haupt- und Nebenregister bzw. Erst- und
Zweitbuch, und an getrennten Aufbewahrungsorten
gelagert. Seit 1928 müssen für
beide Überlieferungen Namensverzeichnisse
geführt werden. Art und Umfang der
in den einzelnen Beurkundungen erfassten
Daten unterscheiden sich im Verlauf der
Jahre je nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden
personenstandsrechtlichen Regelungen.
Die einschneidendsten Änderungen
der Formulare erfolgten dabei im Juli 1920,
im Juli 1938, im Januar 1958 sowie im Januar
2009
Die Erstbücher werden beim zuständigen
Standesamt, die Zweitbücher bei der unteren
Standesamtsaufsicht in den Kreisen
und kreisfreien Städten aufbewahrt. Nach
dem Zweiten Weltkrieg wurde in Nordrhein-
Westfalen allerdings festgelegt, dass
die Zweitbücher aus der Zeit von 1874 bis
zum 30. Juni 1938 in den neu gegründeten
Personenstandsarchiven in Brühl und Detmold
gelagert werden. Sie konnten bis zum
31. Dezember 2008 nur eingeschränkt für
die Benutzung bereit gestellt werden. Das
novellierte Personenstandsgesetz mit Geltung
vom 1. Januar 2009 regelt die Benutzungsbedingungen
(Y siehe Seite 29 Rechtliches)
liberaler und die weitere Übernahme
von Personenstandsregistern neu.